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Sind Veränderungen im Leben therapeutisch steuerbar?

Fachartikel von Robert Riedl

Wie Wachstum ist Wandlung ein natürlicher Vorgang, dem Prinzipien zugrunde liegen. Veränderung folgt fundamentalen Prinzipien der Metamorphose. Dabei entfaltet sich eine allgemeingültige "Landkarte der Veränderung", die uns auch auf der Reiseroute zur Umgestaltung des eigenen Lebens navigieren kann. Jeder Lebensumbruch vollzieht einen archetypischen Entwicklungsverlauf, wie er uns seit über 4000 Jahren in Mythen, Legenden, Sagen und Märchen überliefert wird und auf dem die Grundprinzipien innerer Wandlung beruhen. Dabei scheint man ein "Gleichgewichtstraining" zwischen Beibehalten und Erneuern zu beschreiten.

Wir alle kennen die Erfahrung, uns als selbstbestimmte Wesen zu begreifen: d. h. unabhängig wählen zu können, bewusst und frei entscheidend. Genauso erleben wir uns als "Abhängigkeitswesen" mit unserem tiefen Eingebunden- und Angewiesensein in und von Gemeinschaft. – Wer einen dieser "Lebenspole" ablehnt, wird wohl unausweichlich eine Unbalanciertheit zwischen Verbundenheit und Autonomie entdecken. Man vermengt dann etwa Emotionen und Begriffe, was zu Verwirrung oder Ratlosigkeit führen kann. Oder Wege und Perspektiven werden ausgeschlossen, wodurch Gedanken und Gefühle geleugnet oder tabuisiert werden können.

Bei Lebensübergängen kann es nützlich sein, bislang Abgetrenntes oder "Von-uns-Abgespaltenes" einzubeziehen, "In-einem-Vermengtes" zu trennen und die eigenen Ich-Grenzen in Beziehungen deutlicher zu ziehen: Psychotherapie kann dazu ein hilfreiches Angebot machen, um das Einbeziehen von Ausgeschlossenem und das Unterscheiden von Vermengtem in einem lebendigen Balanceakt von Verändern und Bewahren zu begleiten, zu reflektieren und zu unterstützen. Dabei werden nicht nur psychologische und physiologische Prozesse aktiviert: lebensgeschichtliche Transformationen ragen in alle Dimensionen unseres Erlebens – in die biologische, psychische, soziale und "spirituelle" Wirklichkeit unseres Lebendigseins. Und spirituell scheint Veränderung immer dann zu werden, sobald wir beginnen sogenannte Glaubenssätze zu verändern.

Joseph Campbell (1904 – 1987) untersuchte als erster mythologische Geschichten aller Zeiten und Kulturen, um daraus ein universell-gültiges Grundmuster zur inneren Wandlung von Menschen abzuleiten. Der amerikanische Mythenforscher nannte es das Konzept des »Monomythos« (James Joyce). In der Filmindustrie wurde dafür der Begriff Heldenreise üblich. Die sogenannte Heldenreise oder Heldenfahrt, oft auch Quest oder Hero’s Journey genannt, beschreibt typische Auf-gaben, Situationen und Entwicklungsstufen des Protagonisten. Anhand dieses rituell-mythologischen Modells verändert und wandelt sich etwa der Charakter von Luke Skywalker im "Star Wars"-Epos von George Lukas, der übrigens mit Campbell gut befreundet war.

Campbell ging es weniger um die Suche nach einem Sinn des Lebens: »Die Leute sagen, dass es der Sinn des Lebens ist, wonach wir alle suchen. Ich glaube nicht, dass es dies ist, was wir wirklich suchen. Ich glaube, wonach wir suchen, ist eine Erfahrung des Lebendigseins, sodass unsere Lebenserfahrungen auf der rein physikalischen Ebene Resonanzen bildet mit unserem innersten Wesen und unserer innersten Wirklichkeit, sodass wir tatsächlich die Verzückung des Lebendigseins empfinden«.

In seiner »Soziologie der Weltbeziehung« definiert Hartmut Rosa Resonanz als »Qualität der Weltaneignung«, »in der wir [uns] als Subjekte erfahren und in der wir zur Welt Stellung nehmen«. Auch in Rosas Idee einer lebendigen Weltaneignung drückt sich individuell Vitalität aus, worin das eigene Lebendigseins erfahrbar(er) wird.

Dem Erforschen von lebendiger Weltaneignung bzw. von Erfahrungen des Lebendigseins als Erleben von inneren Resonanzen widmete sich auch Daniel N. Stern (1934 – 2012). Der US-amerikanische Psychiater und Psychoanalytiker untersuchte dazu Dynamiken des Erlebens und beschrieb in seinem gleichnamigen Buch »Ausdrucksformen der Vitalität«. Er definierte Vitalität als »eine Gestalt, die aus den theoretisch separaten Wahrnehmungen von Bewegung, Kraft, Zeit, Raum und Intention hervorgeht«. Diese fünf Prämissen gäbe es demnach zu beherzigen, um auch für Vitalität zwischen Psychotherapeut und Klient zu sorgen.




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